„Ping-Pong der zeitlichen Zuständigkeit zwischen VSH-Versicherern“

Noch vor nicht allzu langer Zeit kam es unglücklicherweise überaus häufig vor, dass es zwischen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherern im Hinblick auf die zeitliche Zuständigkeit zu einer Art „Ping-Pong-Spiel“ zu Lasten der Versicherten kam. Vereinzelt müssen wir auch heute noch den ein oder anderen Versicherer über seine zeitliche Einstandspflicht aufklären.

Ⅰ.Haftungsebene

Evakuierungen, gesperrte Bahnlinien, überflutete Straßen und Häuser: Als nach reichhaltigen Regenfällen im Juni 2013 der Elbe-Hauptdeich bei Fischbek in Sachsen-Anhalt brach und das Hinterland von Wassermassen überflutet wurde, waren etliche Schäden nur allzu offensichtlich.  Andere kamen schleichend daher. Landwirt L etwa war nicht direkt von den Folgen des Hochwassers betroffen, hatte aber Kollegen ausgeholfen und Milchkühe aus mehreren anderen Betrieben bei sich aufgenommen. In der Folgezeit häuften sich dann Pilz- und Entzündungserkrankungen im eigenen Viehbestand, Tiere verendeten, die Tierarztkosten stiegen und es kam zu Ertragsausfällen.  Glücklicherweise – so dachte man – bestand eine Ertragsschadenversicherung, die bereits 2001 über die Versicherungsmaklerin M abgeschlossen worden war. Der Versicherer lehnte jedoch Versicherungsleistungen ab. Versicherungsschutz bestünde für Ertragsschäden infolge von anzeigepflichtigen Tierseuchen und Unfällen im Tierbestand. Da es sich bei den angezeigten Krankheitsbildern weder um anzeigepflichtige Tierseuchen noch um Unfälle handle, sei der Versicherungsfall nicht eingetreten. Nachdem auch der Versuch gescheitert war, einen der Landwirte in Regress zu nehmen, dessen Tiere bei L untergestellt worden waren – die Erreger konnten im betreffenden Tierbestand nicht nachgewiesen werden – erwog L dann, seine Versicherungsmaklerin haftbar zu machen, weil diese ihm offenkundig die falsche Versicherung vermittelt hätte.

Ⅱ.Deckungsebene

Und so erreichte der Vorgang die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von M. Die Aufarbeitung der haftungsrechtlichen Ausgangslage ergab zunächst, dass die Ablehnung des Ertragsschadenversicherers nicht zu beanstanden war, die Versicherungsbedingungen also tatsächlich Versicherungsschutz nur bei Auftreten von Tierseuchen und Unfällen vorsahen. Von einer Pflichtverletzung der M ging man dennoch nicht aus. Denn es stellte sich heraus, dass M dem betroffenen Landwirt seinerzeit zwei Versicherungsangebote unterbreitet hatte, jenes, das letztlich angenommen worden war und ein weitergehendes, teureres Angebot, welches Versicherungsschutz auch für „weitere Krankheiten“ geboten hätte. Im Ergebnis hätte das bedeutet, dass die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung Abwehrschutz hätte gewähren müssen. Der Versicherer verwies jedoch drauf, dass die Abschlussberatung zur Ertragsschadenversicherung noch vor Beginn des Vertrages zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gelegen hätte und man deshalb den Vorversicherer in der Verantwortung sehe. Dieser Vorversicherung „G“ war der potenzielle Haftungsfall vorsorglich beziehungsweise vorausschauend bereits ebenfalls angezeigt worden. Dort vertrat man allerdings eine gänzlich andere Rechtsauffassung zu vermeintlichen Verstößen der M und daraus resultierenden Zuständigkeitsfragen:

Selbst wenn unsere ehemalige Versicherungsnehmerin im Jahre 2001 eine fehlerhafte Beratung vorgenommen und/oder einen fehlerhaften Versicherungsschutz vermittelt hätte, wäre sie seither mehrfach verpflichtet gewesen, die Angemessenheit des Versicherungsschutzes zu überprüfen.“

Dass M dies unterlassen hätte, so die G-Versicherung, würde einen Kausalitätsbruch darstellen. Darüber hätte 2001 noch das alte Schuldrecht gegolten, so dass eventuelle Ansprüche aus der positiven Forderungsverletzung nach altem Recht seit Ende 2004 verjährt seien. Dies begegnete auf unserer Seite folgenden Bedenken: Der erste Verstoß bzw. die erste Pflichtverletzung bleibt nach der Rechtsprechung auch dann maßgeblich, wenn der VN mehrfach die Möglichkeit hatte, die in Gang gesetzte Kausalkette zu unterbrechen. Dies war eigentlich wohl auch der G-Versicherung bewusst, da man ansonsten nicht so deutlich auf den vermeintlichen Bruch der Kausalkette hätte hinweisen müssen. Zudem ist die Verjährung von möglichen Schadensersatzansprüchen selbstverständlich kein Grund, keinen Versicherungsschutz zu leisten. Die Verjährung als rechtshindernde Einrede hätte nur zur Folge gehabt, dass Forderungen von L unbegründet gewesen wären, wenn er seine Vorwürfe explizit auf Beratungsverschulden beim Abschluss gestützt hätte. Deckungsrechtlich hätte die G-Versicherung dann aber Abwehrschutz gewähren müssen. Nach entsprechenden Hinweisen durch die Hans John Versicherungsmakler GmbH, hielt die G-Versicherung nicht mehr an dieser Argumentation fest, sondern versuchte das Nichtvorliegen ihrer Zuständigkeit dadurch zu begründen, dass der Versicherungsvertrag mit ihr bereits 2002 beendet worden sei. Die darin vereinbarte zweijährige Nachmeldefrist wäre abgelaufen und auch aus diesem Grund kämen Versicherungsleistungen nicht in Betracht. Auch diese Rechtsmeinung war allerdings fragwürdig.  Denn auf den Ablauf der Nachmeldefrist kann sich ein Versicherer nicht berufen, wenn den Versicherungsnehmer an der Fristversäumung kein Verschulden trifft (BGH, Urteil vom 8.02.1965 – II ZR 171/62, Urteil vom 20.07.2011 – IV ZR 180/10; OLG Stuttgart, Urteil vom 27.11.2008 AZ. 7 U 89/08). Zwar meinte die G-Versicherung, die zitierte Rechtsprechung wäre nicht auf den konkreten Fall übertragbar, schlussendlich gewährte man jedoch Abwehrschutz.

Fazit:

Ob nun der aktuelle Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer oder der Vorversicherer Versicherungsschutz hätte gewähren müssen, wäre letztlich anhand der konkreten Anspruchsbegründung zu ermitteln gewesen. Wäre L – zum Beispiel aus Verjährungsgesichtspunkten – auf eine vermeintlich versäumte Anpassung des bestehenden Vertrages zur Ertragsschadenversicherung umgeschwenkt, hätte sich der aktuelle Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer des Vorgangs annehmen müssen. Wichtig für uns war aber, die deckungsrechtlichen Fragen aufzulösen, ehe es zu einer Haftungsklage kommen konnte, denn Zuständigkeitsfragen erst unter dem Druck laufender, gerichtlicher Fristen zu klären, kann nicht im Sinne eines Versicherungsnehmers sein.

 

 

Über die Hans John Versicherungsmakler GmbH:

Die Hans John Versicherungsmakler GmbH aus Hamburg bietet mit einem Kompetenzteam u. a. aus Volljuristen und Versicherungskaufleuten einen Vollservice in der Vermögensschaden-Haftpflicht an – inklusive umfassender Betreuung im Schadensfall. Die Hans John Versicherungsmakler GmbH ist seit Jahren einer der Marktführer in ihrem Segment.

Ansprechpartner zu dieser Meldung:

Ass. jur. Rudolf Bauer, LL.M. Versicherungsrecht, Prokurist der Hans John Versicherungsmakler GmbH

E-Mail: schaden@haftpflichtexperten.de