Eine stark komprimierte Darstellung zu OLG München, Urteil vom 23.12.2015 – 15 U 2063/14
I. Streitgegenstand
Das OLG München hatte als Berufungsinstanz über die Klage eines italienischen Fußballprofis gegen dessen Steuerberater zu entscheiden, die ihn seit 2007 beraten und ihn nicht auf die deutsche Kirchensteuerproblematik hingewiesen und die für seine Kirchensteuerverpflichtung maßgeblichen Fakten nicht geklärt hätten. Zudem hätten die Beklagten nicht darauf reagiert, dass seine Arbeitgeberin (Nebenintervenientin) zwar Lohn- aber keine Kirchensteuer abgeführt hätte. Bei ordnungsgemäßer Beratung, so der Kläger, wäre er bereits 2007 aus der katholischen Kirche ausgetreten, so dass keine Kirchensteuer angefallen wäre. Auch hätte er die Nebenintervenientin, mit der er eine Nettolohnvereinbarung geschlossen hatte, bei rechtzeitiger Information zur Zahlung der Kirchensteuer veranlasst, anstatt 2010 einen umfassenden Beendigungs- oder Abfindungsvertrag mit dieser zu schließen. Erstinstanzlich hatte das LG München die beklagten Steuerberater antragsgemäß zur Zahlung von 10.412 EUR nebst Zinsen verurteilt, für das aussichtslose Vorgehen gegen die Kirchensteuerbescheide 2007 und 2008. Außerdem wurden sie verurteilt, den Kläger für die Jahre 2007 bis 2009 von dessen Kirchensteuerverpflichtungen freizustellen. Ausgenommen hiervon waren die Verpflichtungen für das Jahr 2007 aufgrund von Einnahmen des Klägers, die nicht aus seinem Spielervertrag mit der Nebenintervenientin herrührten.
II. Die Entscheidung des OLG
Anders als die Vorinstanz, sah das OLG auch für die Jahre 2008 und 2009 keinen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Einnahmen, die nicht aus dem Spielervertrag herrührten. Nach Auffassung des Gerichts fehlte es diesbezüglich sowohl an einer Pflichtverletzung als auch an der Kausalität der vermeintlichen Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden.
Kirchenaustritt als „höchstpersönliche Entscheidung“
Zwar hätte ein umfassendes Dauermandat zur Steuerberatung bestanden und ein aus Italien stammender Steuerpflichtiger, der sich in Deutschland niederlasse, sei auch darüber zu belehren, dass Kirchenmitglieder eine Kirchensteuer zu entrichten hätten, insbesondere, wenn in dessen Heimat eine Kirchensteuer dieser Art nicht bekannt sei, aber der Steuerberater schulde dem italienischen Mandanten keine Empfehlung zum Kirchenaustritt, weil es sich bei diesem Schritt um eine höchstpersönliche Entscheidung handle, für die nicht nur wirtschaftliche Erwägungen maßgeblich seien. Dass die Beklagten den Kläger gar nicht über die Kirchensteuerpflicht für alle Kirchenmitglieder hingewiesen hätten – diesbezüglich lag die Beweislast beim Anspruchsteller – sah das OLG nicht mit der nötigen Gewissheit als erwiesen an.
Grundsätzlich gilt nach Rechtsprechung des BGH bei Verträgen mit rechtlichen Beratern die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, dies aber nur dann, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Beraterleistung lediglich ein bestimmtes Verhalten nahegelegen hätte. Einen derartigen Anscheinsbeweis sah das Gericht hier nicht als gegeben an, weil dem Kläger mehrere Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten, die wiederum nicht nur von wirtschaftlichen Erwägungen hätten beeinflusst werden können. Bei Fragen des Kirchenaustritts sei der Anscheinsbeweis grundsätzlich nicht anwendbar. Dass der Kläger bei pflichtgemäßer Aufklärung tatsächlich aus der Kirche ausgetreten wäre, erachtete das Gericht auch unter Berücksichtigung der prozessualen Angaben des Klägers, nicht für überwiegend wahrscheinlich, zumal die Kirchensteuer nach der getroffenen Nettolohnoptimierung überwiegend von der Nebenintervenientin zu tragen gewesen wäre.
Das OLG ging weiterhin davon aus, dass eine unzureichende Reaktion auf die Nichtabführung der Kirchenlohnsteuer durch die Nebenintervenientin einen Schaden nur hinsichtlich der Steuern für die Einnahmen aus dem Spielervertrag begründen könne, nicht aber hinsichtlich der Steuern auf andere Einnahmen.
Mitverschuldenseinwand
Zudem sah das OLG die Berufung der Beklagten auch insoweit als begründet an, als dass die Beklagten zur Leistung von Schadensersatz verurteilt worden waren, ohne dass ein Mitverschuldensanteil nach § 254 BGB berücksichtigt worden war. Das Gericht ging grundsätzlich von einer Pflichtverletzung aus. Es hätte im konkreten Fall verschiedentlich Anlass gegeben, den Kläger deutlich darauf hinzuweisen, dass sein Arbeitgeber die geschuldete Kirchensteuer nicht abgeführt hatte und welche steuerrechtlichen Gefahren damit für den Kläger verbunden waren, namentlich die eigene Inanspruchnahme für die Kirchensteuer. Die Pflichtverletzung sei auch ursächlich für einen dem Kläger entstandenen Schaden geworden. Weil der Kläger aber einen Beendigungsvertrag mit der Nebenintervenientin schloss, ohne die Beklagten zu informieren, die zu diesem Zeitpunkt über das Problem der nicht abgeführten Kirchensteuer informiert waren und ihn hätten warnen können, musste sich der Kläger ein Mitverschulden anrechnen lassen, das das Gericht mit 20% bewertete. Ein höheres Mitverschulden wäre nach Auffassung des Gerichts möglich gewesen, wenn die Beklagten hätten nachweisen können, dass sie den Kläger um Rücksprache baten, ehe der Beendigungsvertrag geschlossen wurde.
Abgelehnt wurde dagegen ein Mitverschulden durch Sichtung des Meldeformulars. Als sprachunkundiger Ausländer durfte der Kläger auf ein korrektes Vorgehen der Sekretärin seines Arbeitgebers vertrauen, die die Meldung für ihn übernommen und im Feld „Religion“ keine Eintragung gemacht hatte.
Dass der Kläger die Kirchensteuer auf E‑Mails der Beklagten hin nicht noch im Dezember 2010 zahlte und als Sonderausgabe steuerlich geltend machte, wurde ebenfalls nicht als relevantes Mitverschulden im Sinne einer Obliegenheit zur Schadensminderung anerkannt, weil es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen sei, bei einer für ihn und seine italienischen Berater komplizierten Konstruktion, innerhalb weniger Tage eine Millionenzahlung zu veranlassen.
Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens
Ein weiterer Punkt, den das OLG bemängelte, war die vom LG angenommene Schadensersatzverpflichtung hinsichtlich der Kosten des vorgelagerten finanzgerichtlichen Verfahrens. Die Beklagten hätten per E‑Mail zum Ausdruck gebracht, dass eine Klage gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung „nahezu aussichtslos“ gewesen sei. Wenn der Kläger dennoch ein Klageverfahren angestrengt hätte, läge darin keine Pflichtverletzung der Beklagten.
Anmerkungen:
Von einer Darstellung der Entscheidungsgründe im Hinblick auf die teilweise erfolgreiche Anschlussberufung des Klägers wird an dieser Stelle abgesehen.
Auch wenn im Wege der Berufung die Belastung der Beklagten im Vergleich zum erstinstanzlichen Urteil merklich reduziert wurde, blieb es in Summe aber natürlich trotzdem bei einer ganz erheblichen Schadensersatzverpflichtung, die mutmaßlich vom Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer der Steuerberater zu tragen gewesen sein wird.
Ass. jur. Rudolf Bauer,
LL.M. Versicherungsrecht