Eine zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung zu BGH, Urteil vom 06.12.2018 – IX ZR 176/16

I. Vor­in­stan­zen

Die beklag­ten Steu­er­be­ra­ter waren zunächst im Rah­men einer Personenhandels‑, spä­ter dann im Rah­men einer Kapi­tal­ge­sell­schaft als Steu­er­be­ra­ter tätig. Den spä­te­ren Klä­ger betreu­ten sie seit dem Jahr 2000 in Steu­er­an­ge­le­gen­hei­ten. Zur Steu­er­op­ti­mie­rung emp­fah­len sie ihm, in geschlos­se­ne Fonds zu inves­tie­ren und ver­wie­sen ihn in die­sem Zusam­men­hang auf die A‑GmbH (A).

Zwi­schen 1999 und 2008 zeich­ne­te der Klä­ger, ver­mit­telt durch die A, ver­schie­de­ne Schiffs­fonds. Hin­sicht­lich ein­zel­ner Fonds­be­tei­li­gun­gen begehr­te er spä­ter so gestellt zu wer­den, als hät­te der die­se nie gezeich­net. Begrün­det wur­de die dies­be­züg­li­che Kla­ge damit, dass ihn die Beklag­ten nicht dar­über auf­ge­klärt hät­ten, dass sie selbst – als Gesell­schaf­ter einer an der A betei­lig­ten GmbH – mit­tel­bar an der A betei­ligt waren.

Erst­in­stanz­lich war die Kla­ge über­wie­gend erfolg­reich.

Das Beru­fungs­ge­richt wies die Kla­ge dage­gen hin­sicht­lich der im Jahr 2004 gezeich­ne­ten Betei­li­gun­gen wegen Ver­jäh­rung ab, bestä­tig­te das erst­in­stanz­li­che Urteil zu den in 2005 gezeich­ne­ten Betei­li­gun­gen und änder­te es bezüg­lich der in 2008 gezeich­ne­ten Betei­li­gun­gen ledig­lich dahin­ge­hend ab, dass nur noch die mit­be­klag­te Kapi­tal­ge­sell­schaft der Steu­er­be­ra­ter ver­ur­teilt wur­de.

Die Revi­si­on der Beklag­ten führ­te zur Auf­he­bung des Urteils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sache an das Beru­fungs­ge­richt.

II. Die Ent­schei­dung des BGH

Der BGH ging – wie auch das Beru­fungs­ge­richt – davon aus, dass die Beklag­ten eine schuld­haf­te Pflicht­ver­let­zung began­gen hat­ten. Sie hät­ten den Klä­ger zwar nicht selbst zu kon­kre­ten Kapi­tal­an­la­gen bera­ten und wür­den somit auch nicht als Anla­ge­be­ra­ter haf­ten, aber sie hat­ten ihnen als Steu­er­be­ra­ter oblie­gen­de Pflich­ten ver­letzt, indem sie dem Klä­ger den Abschluss von Ver­trä­gen mit der A nahe­leg­ten, ohne zu offen­ba­ren, dass für sie selbst damit wirt­schaft­li­che Vor­tei­le ver­bun­den sei­en. Denn der um Rat ersuch­te steu­er­li­che Bera­ter sei zu einer „umfas­sen­den und mög­lichst erschöp­fen­den Beleh­rung sei­nes Auf­trag­ge­bers ver­pflich­tet.“ Der Man­dant hät­te einen Anspruch dar­auf, dass sein Bera­ter dies­be­züg­li­che Fra­gen mit „völ­li­ger Objek­ti­vi­tät“ beant­wor­te, sich „aus­schließ­lich vom Inter­es­se des Man­dan­ten lei­ten“ und „sich nicht durch unsach­li­che Gesichts­punk­te, ins­be­son­de­re nicht durch per­sön­li­che Ver­mö­gens­vor­tei­le beein­flus­sen las­se“.

1. Die Last mit der Beweis­last

Dass der BGH die Sache den­noch zurück­ver­wies, war den Aus­füh­run­gen des Beru­fungs­ge­richts zur erfor­der­li­chen Kau­sa­li­tät zwi­schen Pflicht­ver­let­zung und Scha­den geschul­det, die der BGH nicht teil­te. Dass Beru­fungs­ge­richt war näm­lich davon aus­ge­gan­gen – weil es nicht um eine fal­sche Bera­tung in Rechts­fra­gen gegan­gen sei – dass die Recht­spre­chung des BGH zu Kapi­tal­an­la­ge­fäl­len und die Ver­mu­tung auf­klä­rungs­rich­ti­gen Ver­hal­tens Anwen­dung fin­den müs­se. Es hat­te also den Beklag­ten die Beweis­last dafür auf­ge­bür­det, dass sich der Klä­ger auch bei Hin­weis auf den mög­li­chen Inter­es­sen­kon­flikt an die A gewandt hät­te (was den Beklag­ten nicht gelun­gen war). Dem erteil­te der BGH eine Absa­ge. Dem Steu­er­be­ra­ter wer­de in der­ar­ti­gen Fäl­len gera­de nicht eine Pflicht­ver­let­zung aus der Anla­ge­be­ra­tung bzw. ‑ver­mitt­lung zur Last gelegt, son­dern aus einer „spe­zi­ell aus dem Man­dat und den Auf­ga­ben des Steu­er­be­ra­ters abzu­lei­ten­den Auf­klä­rungs­pflicht.“ Wie sich ein Man­dant bei ver­trags­ge­rech­ter Bera­tung ver­hal­ten hät­te, so der BGH, zäh­le zur haf­tungs­aus­fül­len­den Kau­sa­li­tät, die der Man­dant zu bewei­sen hät­te. Auch eine Beweis­erleich­te­rung nach den Grund­sät­zen des Anscheins­be­wei­ses kom­me nicht in Betracht, weil eine ganz bestimm­te Ent­schei­dung des Klä­gers bei zutref­fen­der Unter­rich­tung nicht mit Wahr­schein­lich­keit zu erwar­ten gewe­sen wäre. Denn bei Auf­de­ckung der Betei­li­gung hät­te der Klä­ger meh­re­re Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven gehabt. Er hät­te von einer Kon­takt­auf­nah­me mit der A abse­hen kön­nen oder die­se gera­de wegen deren Ver­bin­dung zu den Beklag­ten auf­su­chen kön­nen. Es wäre des­halb Sache des Klä­gers gewe­sen, dar­zu­le­gen, für wel­chen Weg er sich ent­schie­den hät­te. Hier­zu hät­te das Beru­fungs­ge­richt kei­ne

2. „Unterm Strich“

Neben – an die­ser Stel­le nicht wie­der­ge­ge­be­nen – Ver­jäh­rungs­fra­gen, war die Ent­schei­dung aber auch noch in ande­rer Hin­sicht von Inter­es­se. Denn der BGH wies für das wei­te­re Ver­fah­ren dar­auf hin, dass im Bereich der Rechts- und Steu­er­be­ra­ter­haf­tung die zur Scha­denser­mitt­lung not­wen­di­ge Dif­fe­renz­be­trach­tung nicht auf ein­zel­ne Rech­nungs­pos­ten beschränkt wer­den dür­fe, viel­mehr ein Gesamt­ver­mö­gens­ver­gleich erfor­der­lich sei, der alle von dem haf­tungs­be­grün­den­den Ereig­nis betrof­fe­nen Posi­tio­nen umfas­se. Der Man­dant sei erst geschä­digt, wenn sich sei­ne Ver­mö­gens­la­ge „unterm Strich“ schlech­ter dar­stel­le als ohne die dem Bera­ter ange­las­te­te Pflicht­ver­let­zung. Sei­en also im Anschluss an eine Emp­feh­lung der Beklag­ten meh­re­re Anla­gen getä­tigt wor­den, so wären die­se glei­cher­ma­ßen von der vor­he­ri­gen Auf­klä­rungs­pflicht­ver­let­zung beein­flusst. Hät­te der Klä­ger hier­aus Vor­tei­le erlangt, müss­ten die­se auch hin­sicht­lich der nicht streit­ge­gen­ständ­li­chen Kapi­tal­an­la­gen in die Scha­dens­be­rech­nung ein­flie­ßen.

III. Exkurs

Wird ein Scha­dens­er­satz­an­spruch gegen­über einem Steu­er­be­ra­ter auf­grund von ver­deckt erhal­te­nen Pro­vi­sio­nen bejaht, droht auch in deckungs­recht­li­cher Hin­sicht, also in Bezug auf die Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung, Unge­mach. Denn je nach Sach­ver­halt kann ent­we­der bereits kei­ne ver­si­cher­te Tätig­keit mehr anzu­neh­men oder aber eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung ein­schlä­gig sein.

Ass. jur. Rudolf Bau­er,

LL.M. Ver­si­che­rungs­recht