Eine zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung zu BGH, Urteil vom 21.10.2021 – IX ZR 9/21.

I. Aus­gangs­fall

In dem vom BGH zu ent­schei­den­den Fall ging es um eine ver­mö­gens­ver­wal­ten­de Immo­bi­li­en­ge­sell­schaft (Klä­ge­rin), die mit Ver­trag vom 01.09.2004 eine Steu­er­be­ra­ter-GbR (Beklag­te) mit ihrer umfas­sen­den steu­er­li­chen Bera­tung und Betreu­ung beauf­tragt hat­te. Der Ver­trag soll­te vom 01.01.2005 an gel­ten und den Jah­res­ab­schluss ein­schließ­lich der Gewinn- und Ver­lust­rech­nun­gen und die Gewer­be­steu­er­erklä­rung für das Jahr 2004 umfas­sen. Im Rah­men der Gewer­be­steu­er­erklä­rung für das Jahr 2004 bean­trag­te die Steu­er­be­ra­ter-GbR die erwei­ter­te Kür­zung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in der sei­ner­zeit gel­ten­den Fas­sung. Zuvor hat­te die Klä­ge­rin auf ihre Miet­ein­nah­men die unge­kürz­te Gewer­be­steu­er gezahlt. Die Gewer­be­steu­er wur­de schließ­lich erklä­rungs­ge­mäß fest­ge­setzt und auch in den Fol­ge­jah­ren erwirk­te die Beklag­te die erwei­ter­te Kür­zung der Gewer­be­steu­er.

Zum Pro­blem wur­de aller­dings, dass die Klä­ge­rin bereits seit 2003 auf dem Dach einer ihrer Immo­bi­li­en eine Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge betrieb und der erzeug­te Strom gegen Ent­gelt in das öffent­li­che Netz ein­ge­speist wur­de. Dies zeig­te der Buch­hal­ter der Klä­ge­rin im Okto­ber 2008 an und bat um Stel­lung­nah­me hin­sicht­lich der erwei­ter­ten Gewer­be­steu­er­kür­zung. Einer der mit­be­klag­ten Gesell­schaf­ter der Steu­er­be­ra­ter-GbR riet dazu, die Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge so ein­zu­rich­ten, dass aus­schließ­lich eige­ner Strom­be­darf gedeckt wer­de. Eine Ein­spei­sung dür­fe nicht erfol­gen. Die Klä­ge­rin folg­te die­sem Rat. Die Beklag­te bean­trag­te in der Fol­ge auch für das Jahr 2008 die erwei­ter­te Gewer­be­steu­er­kür­zung. Dies wur­de bei einer Betriebs­prü­fung im Oktober/November 2013 für die 2008 bis 2011 durch das zustän­di­ge Finanz­amt bean­stan­det. Wegen der Strom­pro­duk­ti­on hät­ten die Vor­aus­set­zun­gen der erwei­ter­ten Gewer­be­steu­er­kür­zung im Jahr 2008 nicht vor­ge­le­gen. Es erging ein Bescheid, mit dem ein Mehr­be­trag von 477.005 EUR und Nach­for­de­rungs­zin­sen in Höhe von 114.480 EUR fest­ge­setzt wur­den. Ein­spruch und Kla­ge gegen die­sen Bescheid blie­ben erfolg­los, was wie­der­um Kos­ten in Höhe von 23.009,50 EUR ver­ur­sach­te. In Sum­me waren dies 614.494,50 EUR, die die Klä­ge­rin von der Beklag­ten als Scha­dens­er­satz ver­lang­te. Die­se hät­te es ver­säumt, sie dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Ein­spei­sung von Strom in das öffent­li­che Netz die Inan­spruch­nah­me der erwei­ter­ten Gewer­be­steu­er­kür­zung aus­schloss.

II. Vor­in­stan­zen

Die Kla­ge blieb in den ers­ten bei­den Instan­zen erfolg­los. Das Beru­fungs­ge­richt hat­te zwar eine Pflicht­ver­let­zung ange­nom­men, weil die Beklag­te vor der ers­ten von ihr gefer­tig­ten Gewer­be­steu­er­erklä­rung nicht geprüft hät­te, ob die Klä­ge­rin aus der der Beklag­ten bekann­ten Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge Ein­nah­men erziel­te, kam im Übri­gen aber zu dem Ergeb­nis, dass der Beklag­ten kein Scha­den ent­stan­den sei. Die Beklag­te hät­te ihrer­seits auf die Ein­nah­men hin­wei­sen müs­sen und müs­se sich folg­lich ein 30%iges Mit­ver­schul­den ent­ge­gen­hal­ten las­sen. Außer­dem sei­en die 2004 und 2005 erspar­ten Gewer­be­steu­ern von ins­ge­samt 587.070 EUR, die die Klä­ge­rin bei kor­rek­ter Bera­tung ent­rich­tet hät­te, im Wege der Vor­teils­aus­glei­chung scha­dens­min­dernd anzu­rech­nen. Zudem hät­te die Klä­ge­rin kei­nen Gesamt­ver­mö­gens­ver­gleich ange­stellt.

III. Die Ent­schei­dung des BGH

Auch der BGH sah eine Pflicht­ver­let­zung dar­in begrün­det, dass bei Auf­nah­me der Tätig­keit bzw. Vor­be­rei­tung der Gewer­be­steu­er­erklä­rung für 2004 sei­tens der Beklag­ten nicht nach­ge­fragt wur­de, ob die Klä­ge­rin Ein­nah­men aus der Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge hät­te. Wäre kor­rekt ver­fah­ren wor­den, hät­te die Beklag­te über­dies bereits zum dama­li­gen Zeit­punkt emp­feh­len müs­sen, kei­ne Ein­spei­sun­gen in das öffent­li­che Netz mehr vor­zu­neh­men. Die Klä­ge­rin hät­te dann kei­ne dies­be­züg­li­chen Ein­nah­men mehr gehabt, hät­te ab dem Jahr 2006 die erwei­ter­te Kür­zung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bean­tra­gen kön­nen und die Gewer­be­steu­er wäre erklä­rungs­ge­mäß fest­ge­setzt wor­den, auch für das Jahr 2008, um das es in die­sem Rechts­streit aus­schließ­lich ging.

Der Annah­me, dass der Scha­den klä­ger­sei­tig unzu­rei­chend dar­ge­legt wor­den sei, schloss sich der BGH aller­dings nicht an. Zudem bemän­gel­te er einen metho­di­schen Feh­ler des Beru­fungs­ge­richts, das die Scha­dens­sum­me zunächst um einen Mit­ver­schul­dens­an­teil gekürzt und dann die Vor­tei­le, die die Klä­ge­rin aus dem schä­di­gen­den Ver­hal­ten erlangt hät­te, in vol­ler Höhe abge­zo­gen hät­te. Rich­tig und im Sin­ne der §§ 249 ff. BGB wäre es laut BGH gewe­sen, erst den Scha­den kor­rekt zu berech­nen und die­sen danach um ein etwa­iges Mit­ver­schul­den zu kür­zen.

Dane­ben beschäf­tig­te sich der BGH aber auch noch mit der Fra­ge, in wel­cher Form die in den Jah­ren 2004 und 2005 erlang­ten Steu­er­vor­tei­le ange­rech­net wer­den muss­ten, im Wege des Gesamt­ver­mö­gens­ver­gleichs oder im Wege der Vor­teils­aus­glei­chung. Im erst­ge­nann­ten Fall wären die Vor­tei­le unmit­tel­bar im Rah­men der Scha­dens­be­rech­nung zu berück­sich­ti­gen gewe­sen, im letzt­ge­nann­ten Fall erst nach Fest­stel­lung des Scha­dens der Höhe nach und nur nach wer­ten­der Betrach­tung unter dem Gesichts­punkt von Treu und Glau­ben. Der BGH urteil­te urteil­te – anders als die Vor­in­stanz –, dass die Steu­er­vor­tei­le im Rah­men des Gesamt­ver­mö­gens­ver­gleichs abzu­set­zen waren:

„Führt eine feh­ler­haf­te steu­er­li­che Bera­tung zu steu­er­li­chen Vor­tei­len, die dem Man­dan­ten wegen Fest­set­zungs­ver­jäh­rung ver­blei­ben, kön­nen die­se Vor­tei­le bei wer­ten­der Betrach­tung im Rah­men des Gesamt­ver­mö­gens­ver­gleichs scha­dens­min­dernd anzu­rech­nen sein.“

Zur Begrün­dung führ­te der BGH aus, dass die durch die erwei­ter­te Kür­zung der Gewer­be­steu­er erlang­ten Vor­tei­le unmit­tel­bar auf dem Bera­tungs­feh­ler – Prü­fung etwa­iger Ein­künf­te aus der Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge – beruht hät­ten. Bei kor­rek­ter Vor­ge­hens­wei­se wären auch die Anträ­ge auf erwei­ter­te Kür­zung der Gewer­be­steu­er für 2004 und 2005 nicht gestellt wor­den. Die Klä­ge­rin sei in den Genuss der erwei­ter­ten Kür­zung gelangt, obwohl deren tat­be­stand­li­che Vor­aus­set­zun­gen nicht vor­ge­le­gen hät­ten. Der Klä­ge­rin gesche­he kein Unrecht, wenn die­ser Vor­teil bei der Scha­dens­be­rech­nung berück­sich­tigt wür­de. Die Anrech­nung füh­re auch nicht zu einer unbil­li­gen Ent­las­tung der Beklag­ten.

Weil nicht aus­ge­schlos­sen wer­den konn­te, dass bei der Klä­ge­rin ein Scha­den ver­blie­be, wur­de die Sache zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Beru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.