Unge­ahn­te Mög­lich­kei­ten

Steht in der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­let­zung eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung und somit ein Aus­schluss­tat­be­stand im Raum, kann das für den betrof­fe­nen VN exis­tenz­be­dro­hend sein. Zusätz­lich erschwert wird die Situa­ti­on, wenn sogar fun­da­men­ta­le Berufs­grund­sät­ze miss­ach­tet wor­den sein sol­len.

Nach­dem K erfolg­reich das zwei­te juris­ti­sche Staats­examen hin­ter sich gebracht hat­te, wand­te er sich im August 2018 an den ihm per­sön­lich bekann­ten Ver­si­che­rungs­mak­ler M zwecks Abschlus­ses einer pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung. K – bis dahin gesetz­lich kran­ken­ver­si­chert – stand zu die­sem Zeit­punkt unmit­tel­bar vor dem Ein­stieg in den Staats­dienst. M stell­te in den fol­gen­den Wochen diver­se Anfra­gen an ver­schie­de­ne Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten. Auf­grund zwei­er Vor­er­kran­kun­gen lehn­ten es jedoch alle ange­frag­ten Ver­si­che­rer ab, K zu ver­si­chern. Not­ge­drun­gen blieb die­ser in der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung, nichts ahnend, dass es durch­aus eine Mög­lich­keit gege­ben hät­te, eine pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rung abzu­schlie­ßen, näm­lich über die soge­nann­te Beam­ten­öff­nungs­klau­sel. Davon erfuhr er erst, nach­dem ein Antrag auf Über­nah­me der Bei­trä­ge für die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung von sei­nem Dienst­herrn abge­lehnt wor­den war. K kon­fron­tier­te umge­hend Ver­si­che­rungs­mak­ler M mit die­ser Infor­ma­ti­on. Die­ser ver­such­te zwar noch, das Ver­säum­te nach­zu­ho­len, aller­dings schei­ter­te ein Wech­sel in den Beam­ten­ta­rif eines der an der Öff­nungs­ak­ti­on teil­neh­men­den Ver­si­che­rers dann dar­an, dass die Frist von sechs Mona­ten nach der Ver­be­am­tung mitt­ler­wei­le bereits ver­stri­chen war. K woll­te dies – ver­ständ­li­cher­wei­se – nicht auf sich beru­hen las­sen, muss­te er doch monat­lich den vol­len Bei­trag für die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung leis­ten, der deut­lich über den Ver­si­che­rungs­prä­mi­en lag, die in der pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung ange­fal­len wären, selbst wenn der maxi­mal mög­li­che Risi­ko­auf­schlag erho­ben wor­den wäre.

Dass das ver­spä­te­te Beru­fen auf die Beam­ten­öff­nungs­klau­sel einen Bera­tungs­feh­ler dar­stell­te, war unstrei­tig. Es gibt zu die­sem The­men­kom­plex auch ober­ge­richt­li­che Recht­spre­chung. So hat etwa das OLG Köln in sei­nem Beschluss vom 05.04.2018 (Az.: 9 U 137/17) fest­ge­stellt, dass den Ver­mitt­ler eine Bera­tungs­pflicht tref­fe, wenn er erken­ne oder damit rech­nen müs­se, dass der Ver­si­che­rungs­neh­mer aus Unkennt­nis der ver­si­che­rungs­recht­li­chen oder ‑tech­ni­schen Zusam­men­hän­ge eine für ihn ungüns­ti­ge Ver­trags­ge­stal­tung wäh­len wol­le. Der Ver­si­che­rungs­neh­mer müs­se umfas­send über die Vor- und Nach­tei­le einer Ver­si­che­rung im Rah­men der von eini­gen pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­run­gen ange­bo­te­nen Beam­ten­öff­nungs­klau­sel auf­ge­klärt wer­den. Ähn­lich urteil­te auch das OLG Dres­den in sei­nem Hin­weis­be­schluss vom 10.03.2021 (4 U 2372/20). Auch der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer von Ver­si­che­rungs­mak­ler M woll­te eine Pflicht­ver­let­zung nicht in Abre­de stel­len, im Gegen­teil, man erach­te­te die­se als so schwer­wie­gend, dass man den Ver­si­che­rungs­schutz als gefähr­det ansah. Es sei von einer wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung aus­zu­ge­hen.

Begrün­det wur­de dies damit, dass von einem Ver­si­che­rungs­mak­ler erwar­tet wer­den kön­ne, ja müs­se, dass er um die Beam­ten­öff­nungs­klau­sel wis­se oder sich zumin­dest kun­dig mache. Der Ver­si­che­rer woll­te damit auf das soge­nann­te Ele­men­tar- oder auch Pri­mi­tiv­wis­sen des jewei­li­gen Berufs­stan­des hin­aus. Wird jenes nicht beach­tet, lässt dies den Schluss auf eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung zu. Grund­sätz­lich liegt die Beweis­last für das Vor­lie­gen einer wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung beim Ver­si­che­rer. Steht jedoch die Ver­let­zung grund­le­gen­der Pflich­ten fest, ist es an dem VN der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung, zu wider­le­gen, dass dies wis­sent­lich geschah, er die in Rede ste­hen­de Pflicht also nicht posi­tiv gekannt und zutref­fend gese­hen hat. Dies war also die Her­aus­for­de­rung, der sich M aus­ge­setzt sah. Eine mög­li­che und nach­voll­zieh­ba­re Erklä­rung für die Unkennt­nis hin­sicht­lich der Öff­nungs­klau­sel wäre die man­geln­de Berufs­er­fah­rung des Ver­mitt­lers. Nun han­del­te es sich bei M aller­dings nicht mehr um einen Bran­chen­neu­ling, son­dern um einen Ver­si­che­rungs­mak­ler mit etli­chen Jah­ren Berufs­er­fah­rung. Aller­dings konn­te M etwa anhand der von ihm stan­dard­mä­ßig ver­wen­de­ten Spar­ten­mak­ler­ver­trä­ge aber auch über das von ihm bei der Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft, bei der er auch sei­ne Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung abge­schlos­sen hat­te, ein­ge­reich­te Geschäft bele­gen, dass er ganz über­wie­gend im Sach­ver­si­che­rungs­be­reich tätig war. Bei Bera­tungs­be­darf zu Per­so­nen­ver­si­che­run­gen, so M, wür­de er die Kun­den regel­mä­ßig auf einen spe­zia­li­sier­ten Mak­ler­kol­le­gen ver­wei­sen. Das Man­dat des K hät­te er nur aus Gefäl­lig­keit über­nom­men, weil es sich um einen Bekann­ten gehan­delt hät­te.

Schluss­end­lich konn­ten wir gemein­sam mit M errei­chen, dass die­sem Ver­si­che­rungs­schutz gewährt wur­de, zunächst aller­dings nur unter Vor­be­halt und in Form des Abwehr­schut­zes, da nach der zwi­schen M und sei­nem Kun­den gewech­sel­ten Kor­re­spon­denz nicht aus­ge­schlos­sen wer­den konn­te, dass auch K einen (ent­schei­den­den) Teil dazu bei­getra­gen hat­te, dass die Sechs-Monats-Frist unge­nutzt ver­strich.

Fazit:

Die Fra­ge, in wel­chem Umfang Ver­si­che­rungs­mak­ler M haf­tet, wird final wohl nur im Rah­men eines Haf­tungs­ver­fah­rens geklärt wer­den kön­nen. Es steht zu hof­fen, dass die ver­meint­lich wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung im wei­te­ren Ver­lauf nicht erneut the­ma­ti­siert wird. Letzt­lich hät­te M sich und sei­nem Kun­den in jedem viel Unbill erspart, wenn er so ver­fah­ren wäre, wie sonst auch und sich nicht ohne umfang­rei­che­re Recher­che auf ihm unbe­kann­tes Ter­rain gewagt hät­te, was immer Haf­tungs­po­ten­ti­al bie­tet.