„Recht schutz­los, rechts­schutz­los?“

Wenn die Bear­bei­tung eines Ver­si­che­rungs­falls stockt, dann liegt das in der Regel dar­an, dass eine der Par­tei­en des Ver­si­che­rungs­ver­tra­ges ihren Ver­pflich­tun­gen oder Oblie­gen­hei­ten nicht recht­zei­tig nach­kommt. Im Haft­pflicht­be­reich liegt das Pro­blem manch­mal aber auch bei dem­je­ni­gen, bei dem man es eigent­lich am wenigs­ten erwar­ten wür­de: beim Geschä­dig­ten.

I. Haf­tungs­ebe­ne

Ver­si­che­rungs­mak­ler M betreu­te bereits seit meh­re­ren Jah­ren die pri­va­ten Ver­si­che­rungs­ver­trä­ge sei­nes Kun­den G, als die­ser ihn im April 2015 zwecks Abschlus­ses einer Rechts­schutz­ver­si­che­rung für den Privat‑, Berufs- und Ver­kehrs­be­reich kon­tak­tier­te. M hol­te über einen Ver­gleichs­rech­ner Ange­bo­te ver­schie­de­ner Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten ein und nach kur­zer, per­sön­li­cher Bera­tung ent­schied man sich für die A‑Versicherung. M stell­te über das Online­por­tal des Ver­si­che­rers einen Ver­si­che­rungs­an­trag, der auch ohne Wei­te­res ange­nom­men wur­de.

Nach anhal­ten­den Que­re­len schied G im Juli 2020 im Unfrie­den aus der GmbH aus, für die er bis dahin als Geschäfts­füh­rer tätig gewe­sen war. Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen der GmbH und ihrem nun ehe­ma­li­gen Geschäfts­füh­rer waren damit jedoch mit­nich­ten been­det, son­dern wur­den vor Gericht fort­ge­setzt. G schal­te­te einen Rechts­an­walt ein, der wie­der­um eine Rechts­schutz­an­fra­ge an die A‑Versicherung rich­te­te. Die Rechts­schutz­ver­si­che­rung lehn­te jedoch unter Hin­weis auf den unter § 3 Abs. 2 Nr. 3 ARB gere­gel­ten Aus­schluss ab:

„Rechts­schutz besteht, soweit nicht etwas ande­res ver­ein­bart ist, nicht für die Wahr­neh­mung recht­li­cher Inter­es­sen

aus dem Recht der Han­dels­ge­sell­schaf­ten oder aus Anstel­lungs­ver­hält­nis­sen gesetz­li­cher Ver­tre­ter juris­ti­scher Per­so­nen.“

G lei­te­te die Rech­nun­gen sei­nes Rechts­an­wal­tes dar­auf­hin an M wei­ter, for­der­te ihn auf, die anfal­len­den Kos­ten zu über­neh­men, wider­rief die bestehen­de Mak­ler­voll­macht und kün­dig­te par­al­lel auch den Mak­ler­ver­trag auf.

Tat­säch­lich hat­te G den M noch vor 2015 über sei­ne beruf­li­che Situa­ti­on infor­miert, M war jedoch bei Antrag­stel­lung fälsch­li­cher­wei­se davon aus­ge­gan­gen, dass der Arbeits­rechts­schutz pro­blem­los mit­ver­si­chert sei, weil G als ange­stell­ter Geschäfts­füh­rer tätig war. Die­ses Argu­ment beweg­te die A‑Versicherung jedoch kei­nes­wegs zum Umden­ken. Man ver­wies dar­auf, dass ergän­zend der Anstel­lungs­ver­trags-Rechts­schutz hät­te abge­schlos­sen wer­den müs­sen. So lan­de­te der Fall schließ­lich bei der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung des Ver­si­che­rungs­mak­lers.

II. Deckungs­ebe­ne

Eigent­lich lag es ange­sichts des Aus­gangs­falls nahe, von einem Regu­lie­rungs­fall aus­zu­ge­hen. Mak­ler­sei­tig hät­te die bekann­te Tätig­keit als Geschäfts­füh­rer Anlass geben müs­sen, Erkun­di­gun­gen zur Reich­wei­te des Anstel­lungs­ver­trags-Rechts­schut­zes ein­zu­ho­len, sich zu infor­mie­ren unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die­ser hät­te abge­schlos­sen wer­den kön­nen und dem Kun­den die Erwei­te­rung anzu­tra­gen. Eine Pflicht­ver­let­zung des Ver­si­che­rungs­mak­lers ließ sich mit­hin nicht ernst­haft leug­nen.

Auch der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer hat­te kei­ne grund­sätz­li­chen Zwei­fel an einer Pflicht­ver­let­zung. Hin­sicht­lich der Scha­dens­hö­he gab man zu beden­ken, dass G sich die seit 2015 erspar­ten Ver­si­che­rungs­prä­mi­en für den Anstel­lungs­ver­trags-Rechts­schutz ent­ge­gen­hal­ten las­sen müs­se und auch ein etwa­iger Selbst­be­halt scha­dens­min­dernd zu berück­sich­ti­gen sei. Dar­über hin­aus gab man G auf, den ihm ver­meint­lich ent­stan­de­nen Scha­den zu bele­gen. An die­ser Stel­le blieb der Scha­dens­fall dann aber über­ra­schen­der­wei­se ste­cken. G wur­de zwar nicht müde, M unter Druck zu set­zen und die ver­meint­li­che Hin­hal­te­tak­tik des Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rers anzu­pran­gern, die Dar­le­gung sei­nes Ver­mö­gens­scha­dens unter­blieb jedoch bezie­hungs­wei­se beschränk­te sich dar­auf, immer wie­der die von ihm angeb­lich ver­aus­lag­ten Kos­ten­rech­nun­gen sei­nes Rechts­an­wal­tes zu über­mit­teln. Die­se waren für sich genom­men aller­dings nicht aus­sa­ge­kräf­tig genug, weil sie zwar erken­nen lie­ßen, wer gegen wen vor Gericht gezo­gen war, aber nicht, wor­um man sich eigent­lich stritt, ob es also um aus­ste­hen­de For­de­run­gen, Scha­dens­er­satz, die Höhe einer Abfin­dung, ein etwa­iges Wett­be­werbs­ver­bot etc. ging. Dem Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer war es somit nicht mög­lich zu prü­fen, ob über den Anstel­lungs­ver­trags-Rechts­schutz – sofern er denn abge­schlos­sen wor­den wäre – tat­säch­lich Leis­tun­gen des Rechts­schutz­ver­si­che­rers in Betracht gekom­men wären. Weil Mak­ler M mitt­ler­wei­le nicht mehr für G legi­ti­miert war, konn­te er die ent­spre­chen­den Infor­ma­tio­nen auch nicht bei der A‑Versicherung ein­ho­len. Das Pro­blem wäre den­noch eigent­lich ziem­lich sim­pel zu behe­ben gewe­sen, wenn G dem Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer nur die Kla­ge­schrift und ‑erwi­de­rung zur Ver­fü­gung gestellt oder sei­nen Rechts­an­walt gebe­ten hät­te, dies zu tun. Das woll­te G aber ent­we­der nicht oder er war so von sei­ner neu­en Tätig­keit für eine ande­re GmbH ein­ge­nom­men, dass er den Auf­wand scheu­te. Jeden­falls ver­wei­ger­te der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer eine Regu­lie­rung nur auf Grund­la­ge der anwalt­li­chen Kos­ten­rech­nun­gen. Eine Haf­tungs­kla­ge gegen­über Ver­si­che­rungs­mak­ler M blieb aus. Mög­li­cher­wei­se hat­te G zwi­schen­zeit­lich den Pro­zess gegen sei­nen vor­ma­li­gen Arbeit­ge­ber voll­um­fäng­lich gewon­nen und somit kei­nen Scha­den mehr, der gel­tend gemacht wer­den konn­te.

III. Fazit

Anders als im obi­gen Fall, bei dem M die Ent­schei­dung sei­nes Ver­si­che­rers durch­aus nach­voll­zie­hen konn­te, kommt es man­ches Mal zu Miss­stim­mun­gen zwi­schen Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer und dem jewei­li­gen Ver­si­che­rungs­neh­mer, weil Letz­te­rer – im Inter­es­se der Kun­den­ver­bin­dung – eine voll­um­fäng­li­che Regu­lie­rung zuguns­ten des Geschä­dig­ten wünscht, der Ver­si­che­rer den Scha­den aber noch gar nicht oder nur zum Teil als hin­rei­chend belegt ansieht. In der­ar­ti­gen Fäl­len hilft es, sich die Beweis­last­ver­tei­lung zu ver­deut­li­chen. Hier ist im Zivil­recht zunächst ein­mal der Anspruch­stel­ler gefor­dert. Er muss die anspruchs­be­grün­den­den Tat­sa­chen vor­tra­gen und im Zwei­fel auch bewei­sen. Das schließt auch die Höhe des Scha­dens ein. Es ist also bei­spiels­wei­se nicht Sache des Haft­pflicht­ver­si­che­rers, Nach­for­schun­gen zur Scha­dens­hö­he anzu­stel­len, wenn bereits unklar ist, ob über­haupt eine Pflicht­ver­let­zung vor­lag oder ob die­se tat­säch­lich ursäch­lich für einen Scha­den gewor­den ist.