„Wer sich auf andere verlässt, …“
… der ist verlassen, heißt es. Geht es um die Haftung des Versicherungsmaklers gegenüber seinen Kunden, stimmt dies nur bedingt, denn hier dürfen die Kunden grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihre Versicherungsangelegenheiten und ihre diesbezüglichen Interessen vom Makler gewahrt werden. Uneingeschränkt gilt dies jedoch auch nicht.
Versicherungsnehmer K hatte zum 01.10.2019 über Versicherungsmakler V eine Kfz-Haftpflichtversicherung abgeschlossen und dem Versicherer eine Einzugsermächtigung erteilt. Ein Dreivierteljahr später, am 03.06.2020 informierte K den V per E‑Mail darüber, dass die Abbuchung der Folgeprämien künftig über ein anderes Konto erfolgen solle. Beigefügt war als Anhang eine Kopie der ursprünglichen Einzugsermächtigung, auf der der Versicherungsnehmer handschriftlich die Bankdaten abgeändert hatte. Aufgrund eines Versehens verschob V die Mitteilung seines Kunden innerhalb seines E‑Mail-Programms in einen falschen Unterordner, wo sie unbearbeitet verblieb. Als die Abbuchung der nächsten Folgeprämie scheiterte, versendete der Versicherer zunächst eine Erinnerung und sodann eine qualifizierte Mahnung an den Versicherungsnehmer. Dieser ging jedoch davon aus, dass sich lediglich die Bearbeitung überschnitten hätte und blieb jeweils untätig. Makler V hatte die Schreiben des Kfz-Haftpflichtversicherers zwar in Kopie erhalten, diese seinerseits aber auch nur abgelegt, weil er meinte, es handle sich ausschließlich um ein Problem zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer wegen eines ungedeckten Kontos. Das böse Erwachen folgte, als K wenig später mit seinem Pkw einen Verkehrsunfall verschuldete und ihm sein Kfz-Versicherer ankündigte, man werde den an den Unfallgegner zu leistenden Schadensersatz aufgrund der Deckungslücke bei K regressieren. K wiederum sah die Verantwortung nicht bei sich und forderte V auf „die Sache zu klären.“ V, dem nun erstmals sein Versehen bewusst wurde, meldete den Fall seiner Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Deren Rückmeldung bot leider die nächste unliebsame Überraschung. Obwohl es sich bei dem vorbeschriebenen Sachverhalt unzweifelhaft um eine versicherte Tätigkeit nach § 34d GewO handelte, meldete der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer V deckungsrechtliche Bedenken an.
Die Bedenken des Vermögensschaden-Haftpflichtversicherers
Das Besondere war hier, dass es mehrere mögliche Anknüpfungspunkte für eine Maklerhaftung gab: Die fehlende Berücksichtigung der Kundenmitteilung zur geänderten Bankverbindung einerseits und das Untätigbleiben, nach Zahlungserinnerung und Mahnung andererseits. Erstgenannter Verstoß war unstreitig auf ein einfaches Versehen, also Fahrlässigkeit zurückzuführen. Hinsichtlich des Untätigbleibens auf Zahlungserinnerung und Mahnung hin, ging der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer allerdings davon aus, dass jeweils wissentliche Pflichtverletzungen in Betracht kämen und Versicherungsleistungen dann ausgeschlossen wären.
Die Pflichten eines Versicherungsmaklers
Zunächst kann man sich im Zusammenhang mit der Zahlungserinnerung und Mahnung fragen, ob denn überhaupt eine Pflichtverletzung des Versicherungsmaklers vorlag. Schließlich war der Versicherungsnehmer doch auch direkt vom Versicherer angeschrieben worden. Angesichts der Stellung des Versicherungsmaklers als treuhänderähnlicher Sachwalter und Interessenvertreter des Versicherungsnehmers (BGHZ 94, 356, 359) ist dies allerdings wohl nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen. Ein Versicherungsmakler schuldet in der Regel eben nicht nur die Vermittlung, sondern auch die sich daran anschließende weitere Betreuung und Verwaltung des Versicherungsvertrages (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz § 59 Rn. 74). Das beinhaltet auch die Pflicht, den Versicherungsnehmer auf die Fälligkeit von Prämien hinzuweisen (Beckmann/Matusche-Beckmann, § 5 Rn. 321).
Fahrlässige und wissentliche Pflichtverletzungen?
Die sich anschließende Frage lautete, ob die vermeintlich wissentlichen (Folge-)Pflichtverletzungen den Versicherungsschutz insgesamt torpedieren konnten, letztlich war die erste Pflichtverletzung (ohne die es Zahlungserinnerung und Mahnung gar nicht gegeben hätte), ja nur auf Fahrlässigkeit zurückzuführen. Dies ist allerdings wohl zu bejahen. So hat der BGH festgestellt (Beschluss vom 27.05.2015 – IV ZR 322/14), dass der Deckungsausschluss für Schadenverursachung durch Pflichtverletzung auch dann gelte, wenn derselbe Schaden nicht nur durch eine wissentliche Pflichtverletzung, sondern (möglicherweise) auch durch weitere, nicht wissentliche Pflichtverletzungen mitverursacht würde. Anderenfalls würden diejenigen privilegiert, die nicht nur einen, sondern gleich mehrere Fehler begingen.
Aber lag überhaupt eine wissentliche Pflichtverletzung vor, die vom Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer auch mit einer sog. Kardinalspflichtverletzung begründet worden war? Die bei Schadenmeldung von Makler V verfasste Stellungnahme deutete eher darauf hin, dass V sich bezüglich der ihn treffenden Pflichten im Zusammenhang mit dem Prämieneinzug geirrt, er also gerade nicht bewusst Pflichten verletzt hatte. Auch handelt es sich bei diesen Pflichten um Nebenpflichten, was unseres Erachtens gegen eine Kardinalspflichtverletzung spricht. Mit dieser Argumentation konfrontiert, stimmte der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer schließlich einer Regulierung zu.
Zum Schluss das Mitverschulden
Im Zuge der Regulierung wurde dann selbstverständlich aber noch dem Umstand Rechnung getragen, dass auch K seinen Teil dazu beigetragen hatte, dass der Kfz-Versicherer Regress nehmen konnte. Spätestens nach Erhalt der Mahnung – so der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer – hätte K sich nicht mehr nur auf seine E‑Mail vom 03.06.2020 verlassen dürfen, sondern hätte die von seinem Konto (nicht) abgebuchten Beträge überprüfen und sich mit dem Versicherer oder seinem Versicherungsmakler in Verbindung setzen müssen, weil er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr darauf vertrauen konnte, dass alles seinen ordnungsgemäßen Gang gehen würde. Hätte er dies getan, hätte das Problem noch vor seinem Unfall behoben werden können. Dieses Mitverschulden bewertete der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer – durchaus wohlwollend – nur mit 20%.