„Spike auf Abwegen“
Auch zwischen Versicherungsmaklern und Ihren Vermögensschaden-Haftpflichtversicherern kommt es in der Praxis immer wieder zu Unstimmigkeiten, wenn es um die Regelungen zum Selbstbehalt geht. Selten dürfte dies existenzbedrohend sein, ärgerlich und zeitraubend ist es allemal.
A. Der Haftungsfall
Makler M bekam im März 2014 den Auftrag, die privaten Versicherungsverträge des Versicherungsnehmers H zu „optimieren“. Im Zuge dessen kündigte M eine seiner Auffassung nach nicht mehr zeitgemäße Privathaftpflichtversicherung und beantragte anderweitig neuen Versicherungsschutz. Dabei übersah er, den durch Nachtrag erfolgten Einschluss einer Hundehalterhaftpflichtversicherung in den Vorvertrag. Dieses Versehen fand einige Zeit später Beachtung, als Spike, der Mischlingsrüde des H, den Zaun zum Nachbargrundstück übersprang, in den Hühnerstall des A eindrang und dort dutzende Hühner zu Tode hetzte. Das ohnehin schon belastete Verhältnis zwischen H und seinem Nachbarn A wurde dadurch weiter in Mitleidenschaft gezogen. A forderte Schadensersatz für seine prämierten Hühner in Höhe von rund 2.000 EUR, H seinerseits bestritt die „Täterschaft“ von Spike und warf A vor, er hätte einen derartigen Vorfall geradezu provoziert, weil er die Tür zum Hühnerstall Tag und Nacht offen stehen lassen würde. A beauftragte daraufhin einen Rechtsanwalt, der H wiederholt aufforderte, Schadensersatz zu zahlen. H meldete diesen Haftungsfall im September 2014 seinem neuen Haftpflichtversicherer, bekam jedoch postwendend die Ablehnung, weil die Hundehalterhaftpflicht nicht in den Vertrag mit einbezogen sei. H kümmerte dies zunächst nicht weiter, da er überzeugt war, der Fall würde im Sande verlaufen. Mitte 2016 wurde dann jedoch beim zuständigen Amtsgericht Klage erhoben. Im Dezember 2017 erging dann das Urteil. H wurde antragsgemäß verurteilt und sollte nun einschließlich der Gerichts- und Anwaltskosten etwas über 3.300 EUR an A zahlen. Im Januar 2018 kündigte H daraufhin dem M an, ihn in Regress zu nehmen.
B. Die erste Entscheidung der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
M meldete den Vorgang seiner Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung und regte die Regulierung des durch sein Versäumnis verursachten Schadens an. Seine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung lehnte dies ab. H müsse sich zunächst diejenigen Versicherungsprämien schadensmindernd entgegenhalten lassen, die er seit Vertragswechsel dadurch erspart habe, dass er keine Hundehalterhaftpflicht abgeschlossen hätte. Zudem müsse sich H auch ein Mitverschulden anrechnen lassen. Denn auch ihm hätte der fehlende Versicherungsschutz für Spike auffallen können. Dieses Mitverschulden bewerte man mit 50%. Insofern sei maximal von einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.500 EUR auszugehen. Da der Selbstbehalt des Maklers M zum Verstoßzeitpunkt, also zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung in 2014, 2.000 EUR betragen habe, kämen daher leider keine Versicherungsleistungen in Betracht.
C. Die zweite Entscheidung der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
Der Abzug ersparter Mehrprämien war im obigen Ausgangsfall grundsätzlich nicht zu beanstanden. Auch ein Mitverschulden eines VN — hier des Hundehalters H — mag im Einzelfall in Betracht kommen (auch wenn bei Betreuung durch einen Versicherungsmakler diesbezüglich Zurückhaltung geboten ist und 50% hier sehr hoch angesetzt erschienen). Den Schaden allerdings erst klein zu rechnen, damit er unter den Selbstbehalt des VN fällt, war mindestens übereilt. Denn der Selbstbehalt betrifft üblicherweise die sogenannte Haftpflichtsumme. In den hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen war diese als diejenige Summe definiert, die vom VN der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung „auf Grund richterlichen Urteils oder eines vom Versicherer genehmigten Anerkenntnisses oder Vergleichs zu bezahlen ist“. Ein derartiges Urteil, Anerkenntnis oder einen Vergleich zu Lasten des Maklers M gab es jedoch (noch) gar nicht. Insofern konnte der Selbstbehalt auch nicht ohne weiteres zur Anwendung kommen. Natürlich hätte der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens den Makler anweisen können, dem Hundehalter ein Abfindungsangebot über 1.500 EUR zu unterbreiten. Hätte H dieses Angebot angenommen, hätte tatsächlich ausschließlich M den Abfindungsbetrag zahlen müssen. Soweit waren die Bemühungen des Vermögensschaden-Haftpflichtversicherers jedoch noch gar nicht gediehen, weshalb wir eine neuerliche Prüfung anregten. Im Zuge dessen erfolgte dann eine umfangreichere Begutachtung der Haftpflichtfrage, die zu einer gänzlich anderen Entscheidung führte: Makler M wurde Abwehrschutz gewährt. Begründet wurde dies damit, dass H ja bereits 2014 die Ablehnung seines Haftpflichtversicherers erhalten habe und somit bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Pflichtverletzung seines Maklers gehabt hätte. Die Forderungen von H seien nach §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt. Dies war — auch wenn M ursprünglich eine Regulierung angestrebt hatte — nicht zu beanstanden.
D. Exkurs
In unserem Ausgangsfall verfolgte H seine vermeintlichen Ansprüche gegen Makler M nicht weiter, nachdem er auf die Verjährungsvorschriften hingewiesen wurde. Hätte er aber doch Haftpflichtklage erhoben — zum Beispiel wegen einer Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung -, stellt sich die Frage, in welcher Form der Selbstbehalt dann zum Tragen gekommen wäre. Üblicherweise heißt es in den Bedingungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, dass die Kosten eines gegen den Versicherungsnehmer anhängig gewordenen, einen gedeckten Haftpflichtanspruch betreffenden Haftpflichtprozesses zu Lasten des Versicherers gehen. Speziell zum Selbstbehalt heißt es dann oftmals weiter „Übersteigt der geltend gemachte Haftpflichtanspruch nicht den Betrag des Mindest- oder eines vereinbarten festen Selbstbehalts, so treffen den Versicherer keine Kosten“. Bei einer Hauptforderung von 3.300 EUR und einem festen Selbstbehalt von 2.000 EUR hätte dies für M keine Konsequenzen gehabt. Sein Versicherer hätte die Prozesskosten übernehmen und M seinen Selbstbehalt nur bei Unterliegen zahlen müssen. Bei Klageforderungen unter 2.000 EUR hätte M dagegen im Falle des Unterliegens sowohl die Prozesskosten, als auch seinen Selbstbehalt zu tragen gehabt. Insofern sollte man sich grundsätzlich schon genau überlegen, ob es sich tatsächlich rechnet, zugunsten einer niedrigeren Versicherungsprämie einen höheren Selbstbehalt zu wählen. Hilfreich ist natürlich, wenn die obige Kostenregelung abbedungen werden kann oder anderweitig klargestellt wird, dass bei unberechtigter Inanspruchnahme trotzdem uneingeschränkt Kostenschutz durch den Versicherer gewährt wird.