(BGH 22.10.2012 – AnwZ (Brfg) 60/11)

Sachverhalt

Rechtsanwalt R wandte sich gegen die Auskunftserteilung seiner zuständigen Rechtsanwaltskammer an den ehemaligen Mandanten M. Dieser hatte Informationen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des R erfragt.

Der M beauftragte den Rechtsanwalt R, die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil zu betreiben. Nach Beendigung des Auftrags behauptete M, der R hätte ihn falsch beraten. Insbesondere sei die zu vollstreckende Forderung hinsichtlich der Zinsen in erheblichen Umfang verjährt, so dass deren unberechtigte Geltendmachung zu Kostennachteilen geführt hätte. Aufgrund dessen stünde ihm ein Schadensersatzanspruch zu.

Der M wollte seinen dargelegten Schaden direkt bei der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des R geltend machen. Nachdem der M vergeblich direkt beim R Auskunft über die Daten seiner Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung anfragte, wandte er sich schließlich an die für R zuständige Rechtsanwaltskammer.

Die Rechtsanwaltskammer teilte dem M daraufhin Name und Anschrift des Versicherers sowie die Versicherungsscheinnummer des R mit.

Die vom R eingelegten Einwände gegen die Auskunftserteilung wies die Kammer mit Widerspruchsbescheid zurück. Gegen diese Entscheidung erhob R Klage.

Erteilung einer Auskunft über die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung

Die Klage des R war unbegründet und hatte keine Aussicht auf Erfolg. Vielmehr war die zuständige Rechtsanwaltskammer vorliegend zur Auskunft gemäß § 51 Absatz 6 Satz 2 Halbsatz 1 BRAO berechtigt:

„Die Rechtsanwaltskammer erteilt Dritten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf Antrag Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts sowie die Versicherungsnummer, soweit der Rechtsanwalt kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat; dies gilt auch, wenn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erloschen ist.“

Zu beachten ist des Weiteren, dass im Gesetzesentwurf des Bundesrates darauf hingewiesen wurde, dass die Auskunft zum Schutz geschädigter Mandanten dringend erforderlich sei, soweit der Rechtsanwalt selbst nicht zahlungswillig und mitwirkungsbereit sei. Die Schutzfunktion der Versicherung laufe ohne Auskunftsbefugnis der Kammern gerade in den besonders problematischen Fällen leer, in denen der Geschädigte vom Rechtsanwalt selbst weder Schadensersatz noch diejenigen Informationen über dessen Haftpflichtversicherung erlangen könne, die für den Zugriff auf den Freistellungsanspruch des Anwalts gegenüber der Versicherung erforderlich seien.

Ebenso teilte der Senat die Auffassung des R nicht, dass eine Auskunft nur unter den Voraussetzungen des § 115 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 VVG möglich sei. Hiernach kommt eine Auskunft lediglich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt insolvent oder sein Aufenthalt unbekannt sei.

Eine Beschränkung der Rechtsanwaltshaftung ausschließlich auf den Direktanspruch gemäß § 115 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 VVG lässt sich weder der Norm noch seiner Entstehungsgeschichte entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine Beschränkung auf die Fälle der Insolvenz und des unbekannten Aufenthalts beabsichtigt gewesen seien.

Insbesondere ist bei der Prüfung der Auskunftspflicht der Rechtsanwaltskammer die sog. Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) zu berücksichtigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 DL-InfoV

„muss ein Dienstleistungserbringer (wie hier ein Rechtsanwalt) unbeschadet weiter gehender Anforderungen aus anderen Rechtsvorschriften einem Dienstleistungsempfänger vor Abschluss eines schriftlichen Vertrags oder, sofern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung u.a. in klar und verständlicher Form, falls eine Berufshaftpflichtversicherung besteht, Angaben zu dieser, insbesondere den Namen und die Anschrift des Versicherers und den räumlichen Geltungsbereich zur Verfügung stellen.“

Mithin wird in der vorliegenden Konstellation dem Informationsinteresse des M gesetzlich Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und etwaigen Geheimnisinteressen des R eingeräumt.

Fazit

Die Entscheidung wirkt sich in der Praxis positiv für die Haftpflichtversicherer aus. Denn wenn diese frühzeitig von Konflikten mit den Mandanten erfahren, können sie regulierend eingreifen. Verschweigt ein Anwalt einen Haftungsfall, verletzt er damit seine Obliegenheiten, was den Versicherungsschutz gefährden kann. Je früher in schwierigen Fällen mit seinem Versicherer oder dem betreuenden Versicherungsmakler gesprochen wird, desto eher lassen sich Ansprüche abwehren oder Schäden möglichst klein halten.