Tref­fen Bera­ter abseits der eigent­li­chen Man­dan­ten­ge­sprä­che unzu­tref­fen­de fach­li­che Aus­sa­gen, stellt sich oft die Fra­ge, ob sie dafür haft­bar gemacht wer­den kön­nen oder ob ledig­lich ein recht­lich unver­bind­li­ches Gefäl­lig­keits­ver­hält­nis begrün­det wur­de. Mit Urteil vom 18.12.2008 (IX ZR 12/05) zeig­te der BGH Abgren­zungs­kri­te­ri­en auf.

 

I. Aus­gangs­fall

Die spä­te­ren Klä­ger hat­ten 1995 eine Eigen­tums­woh­nung zum Preis von 560.000 DM erwor­ben. Die Woh­nung wur­de fremd­fi­nan­ziert und nach Fer­tig­stel­lung ver­mie­tet. Der Beklag­te war für die Klä­ger als Steu­er­be­ra­ter tätig. In den Ein­kom­mens­steu­er­erklä­run­gen der Klä­ger berück­sich­tig­te er die auf die Woh­nung ent­fal­len­de Abschrei­bung sowie die Wer­bungs­kos­ten und die Ein­nah­men aus der Ver­mie­tung.

Im Febru­ar 2003 beab­sich­tig­ten die Klä­ger die Ver­äu­ße­rung der Woh­nung. Der Klä­ger zu 1 teil­te dem Beklag­ten tele­fo­nisch mit, dass die Woh­nung fast zum Ein­stands­preis ver­kauft wer­den kön­ne und woll­te wis­sen, ob der Beklag­te etwas über die Immo­bi­li­en­markt­ent­wick­lung sagen kön­ne. Der Beklag­te ant­wor­te­te, dass der Ver­kauf einer ver­mie­te­ten Woh­nung fast zum Ein­stands­preis güns­tig sei, weil ver­mie­te­te und “gebrauch­te” Objek­te im All­ge­mei­nen nur mit Abschlag ver­kauft wer­den könn­ten. Sodann frag­te der Klä­ger zu 1 den Beklag­ten, ob man sich “wegen der anste­hen­den Geset­zes­än­de­rung” mit dem Ver­kauf beei­len müs­se. Dar­auf ent­geg­ne­te der Beklag­te, dass die Lage für die Klä­ger nach neu­em Recht nicht nach­tei­li­ger und des­halb kei­ne Eile gebo­ten sei. Am 17. Juni 2003 ver­kauf­ten die Klä­ger die Woh­nung zum Preis von 293.000 EUR.

Die Klä­ger machen gel­tend, sie hät­ten mit dem Ver­kauf einen mit einem Steu­er­satz von 48 % zu ver­steu­ern­den Ver­äu­ße­rungs­ge­winn von 79.546 EUR erzielt, weil der Ein­kaufs­preis um die erfolg­ten Abschrei­bun­gen gemin­dert wor­den sei. Dar­auf habe der Beklag­te sie nicht hin­ge­wie­sen. Gege­be­nen­falls hät­ten sie von der Ver­äu­ße­rung abge­se­hen. Weil eine genaue Berech­nung des ihnen ent­stan­de­nen Scha­dens sei­ner­zeit noch nicht mög­lich war, mach­ten die Klä­ger ihre Ansprü­che mit einer Scha­dens­er­satz­fest­stel­lungs­kla­ge gel­tend. Das Land­ge­richt Mün­chen I gab der Kla­ge statt, das Ober­lan­des­ge­richt Mün­chen hat sie auf die Beru­fung des Beklag­ten hin abge­wie­sen. Der Beklag­te hät­te zwar die jähr­li­chen Steu­er­erklä­run­gen ange­fer­tigt, dies jedoch im Rah­men von Ein­zel­man­da­ten. Ein sol­ches Man­dat sei bezüg­lich des Woh­nungs­ver­kaufs jedoch nicht erteilt wor­den. Bei der tele­fo­ni­schen Aus­kunft hät­te es sich um eine rei­ne Gefäl­lig­keit gehan­delt, aus der sich weder ein Leis­tungs­an­spruch noch eine Neben­pflicht auf umfang­rei­che Erklä­rung erge­ben hät­te. Der BGH sah das anders.

II. Das Urteil des BGH

Die Fra­ge ob den Erklä­run­gen der Par­tei­en ein Wil­le zur recht­li­chen Bin­dung ent­nom­men wer­den kön­ne, müs­se anhand der Umstän­de des Ein­zel­falls bewer­tet wer­den. Maß­geb­lich sei, ob die jeweils ande­re Par­tei nach Treu und Glau­ben mit Rück­sicht auf die Ver­kehrs­sit­te auf einen sol­chen Wil­len schlie­ßen muss­te. Indi­zi­en für den still­schwei­gen­den Abschluss eines (rechts­ver­bind­li­chen) Aus­kunfts­ver­tra­ges könn­ten sein, dass die Aus­kunft für den Emp­fän­ger erkenn­bar von erheb­li­cher Bedeu­tung sei und er sie zur Grund­la­ge wesent­li­cher Ent­schlüs­se machen wol­le. Auch die beson­de­re Sach­kun­de des Aus­kunft­ge­bers, des­sen eige­nes wirt­schaft­li­ches Inter­es­se am Geschäfts­ab­schluss, ein per­sön­li­ches Enga­ge­ment in Form von Zusi­che­run­gen nach Art einer Garan­tie­über­nah­me, das Ver­spre­chen eige­ner Nach­prü­fung der Anga­ben des Geschäfts­part­ners des Aus­kunft­emp­fän­gers, die Hin­zu­zie­hung des Aus­kunft­ge­bers zu Ver­trags­ver­hand­lun­gen, die Ein­be­zie­hung in Ver­trags­ver­hand­lun­gen als neu­tra­le Per­son oder bereits ander­wei­tig bestehen­de Ver­trags­be­zie­hun­gen zwi­schen Aus­kunft­ge­ber und Aus­kunft­emp­fän­ger könn­ten für einen Ver­pflich­tungs­wil­len spre­chen. Dies zugrun­de gelegt, bejah­te der BGH das Zustan­de­kom­men eines Aus­kunfts­ver­tra­ges. Eine Aus­kunft zu einem bevor­ste­hen­den Grund­stücks­ver­kauf sei für den Emp­fän­ger erkenn­bar von erheb­li­cher Bedeu­tung gewe­sen. Auch sei der Beklag­te für die begehr­te Aus­kunft als beson­ders sach­kun­dig anzu­se­hen gewe­sen und es hät­ten schon ander­wei­tig Ver­trags­be­zie­hun­gen zwi­schen Aus­kunft­ge­ber und ‑emp­fän­ger bestan­den. Es kön­ne des­halb nach Ver­kehrs­auf­fas­sung und Ver­kehrs­be­dürf­nis aus­ge­schlos­sen wer­den, dass der Beklag­te sei­ne Aus­kunft nur gefäl­lig­keits­hal­ber erteilt hät­te.

Neben einem steu­er­li­chen Aus­kunfts­ver­trag sei­en auch die übri­gen Vor­aus­set­zun­gen für einen Scha­dens­er­satz­an­spruch, ins­be­son­de­re eine Pflicht­ver­let­zung, gege­ben. Ein Steu­er­be­ra­ter, dem ein ein­ge­schränk­tes Man­dat erteilt sei, müs­se den Man­dan­ten auch vor außer­halb sei­nes Auf­trags lie­gen­den steu­er­li­chen Fehl­ent­schei­dun­gen war­nen, wenn sie ihm bekannt oder für einen durch­schnitt­li­chen Bera­ter auf den ers­ten Blick ersicht­lich sei­en, wenn er Grund zu der Annah­me hät­te, dass sich der Auf­trag­ge­ber der ihm dro­hen­den Nach­tei­le nicht bewusst sei. Hier hät­te der Klä­ger erwähnt, dass die Spe­ku­la­ti­ons­frist noch nicht abge­lau­fen gewe­sen sei und er den Ein­stands­preis mit dem vor­aus­sicht­li­chen Ver­kaufs­preis ver­gli­chen hät­te. Inso­fern sei für den beklag­ten Steu­er­be­ra­ter offen­kun­dig gewe­sen, dass dem Klä­ger die dro­hen­de Maxi­mie­rung des steu­er­li­chen Gewinns durch Anrech­nung der Abschrei­bung auf den Ein­stands­preis nicht bewusst war. Er hät­te den Klä­ger des­halb dar­auf hin­wei­sen müs­sen, dass infol­ge des Buch­ge­winns mit einer erheb­li­chen Steu­er­be­las­tung zu rech­nen sei.

Die Annah­me eines Mit­ver­schul­dens lehn­te der BGH ab. Nach gefes­tig­ter Recht­spre­chung kön­ne dem Auf­trag­ge­ber nicht als mit­wir­ken­des Ver­schul­den vor­ge­wor­fen wer­den, er hät­te das, wor­über ihn sein Bera­ter hät­te auf­klä­ren sol­len, bei ent­spre­chen­den Bemü­hun­gen auch ohne frem­de Hil­fe erken­nen kön­nen.