Pflicht­ver­let­zung + Sach­wal­ter-Urteil = wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung?“

In unse­rem letz­ten Scha­dens­fall des Monats hat­ten wir unter ande­rem die unbe­rech­tig­ten, weil ver­jähr­ten For­de­run­gen eines Ver­si­che­rungs­neh­mers an sei­nen Ver­si­che­rungs­mak­ler the­ma­ti­siert. Doch manch­mal zie­hen auch die Ver­si­che­rer frag­wür­di­ge Schluss­fol­ge­run­gen.      

A. Haf­tungs­ebe­ne

Die Bau-GmbH war bereits seit ihrer Grün­dung in 2005 Ver­si­che­rungs­neh­me­rin einer Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung. Da die Ver­si­che­rungs­prä­mie — scha­dens­be­dingt — über die Jah­re kon­ti­nu­ier­lich ange­ho­ben wur­de, kon­tak­tier­te die Bau-GmbH im Okto­ber 2017 schließ­lich Ver­si­che­rungs­mak­ler M, um prü­fen zu las­sen, ob es nicht kos­ten­güns­ti­ge­re Lösun­gen für die Absi­che­rung des Unter­neh­mens gäbe. Auf­grund der Vor­schä­den for­der­te M bei Ver­si­che­rer V ein indi­vi­du­el­les Ange­bot für das Risi­ko der Gebäu­de­er­rich­tung (Hoch und Kel­ler­bau) an. Bei der Ange­bots­an­fra­ge über­sah M, dass die Vor­po­li­ce in bestimm­tem Rah­men auch Ver­si­che­rungs­schutz für Tätig­kei­ten beinhal­te­te, die dem Bau­ne­ben­ge­wer­be zuzu­ord­nen waren. Auf Sei­ten der Bau-GmbH ver­ließ man sich dies­be­züg­lich voll­stän­dig auf M und nahm das im Ver­gleich zur Vor­po­li­ce güns­ti­ge­re Ange­bot der V an. Dass in den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen der V noch­mals aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen wur­de, dass Tätig­kei­ten des Bau­ne­ben­ge­wer­bes geson­dert zu ver­si­chern sei­en, blieb unbe­merkt, da M die neue Poli­ce in der Hek­tik des Jah­res­end­ge­schäfts — ent­ge­gen sei­ner sons­ti­gen Arbeits­wei­se — ledig­lich mit dem zuvor ein­ge­hol­ten Ange­bot und nicht auch mit der ursprüng­li­chen Poli­ce ver­glich. Die­ses Ver­säum­nis trat dann Anfang 2018 zuta­ge, als ein Mit­ar­bei­ter der Bau-GmbH bei einer Was­ser­in­stal­la­ti­on einen Scha­den ver­ur­sach­te und die Scha­dens­ab­tei­lung der V eine Regu­lie­rung ablehn­te, weil die kon­kret aus­ge­üb­te Tätig­keit nicht ver­si­chert gewe­sen sei.  Die Bau-GmbH for­der­te von M Scha­dens­er­satz.

B. Deckungs­ebe­ne

M mel­de­te den Vor­gang sei­nem Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer. Des­sen Ant­wort über­rasch­te. Auf die Wie­der­ga­be des bekann­ten Sach­ver­hal­tes folg­te die all­ge­mei­ne Fest­stel­lung, dass es bei einem Ver­si­cher­er­wech­sel  grund­sätz­lich die Pflicht eines jeden Ver­si­che­rungs­mak­lers sei, den Deckungs­um­fang zu über­prü­fen. Hier habe es der Mak­ler jedoch gleich mehr­fach ver­säumt, den vom Kun­den gewünsch­ten Ver­si­che­rungs­schutz mit dem tat­säch­lich ange­bo­te­nen Deckungs­um­fang zu ver­glei­chen. Ein Ver­si­che­rungs­mak­ler sei als treu­hän­de­ri­scher Sach­wal­ter des von ihm betreu­ten Kun­den aber gera­de dazu ver­pflich­tet, den ange­bo­te­nen Ver­si­che­rungs­schutz sorg­fäl­tig zu prü­fen. Inso­weit hand­le es sich um eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung. Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen kön­ne man daher lei­der nicht zur Ver­fü­gung stel­len.

Die Ableh­nung des Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rers war aus ver­schie­de­nen Grün­den nicht über­zeu­gend. Zunächst erschöpf­te sich die Begrün­dung der Ableh­nung dar­in, den objek­ti­ven Pflich­ten­ver­stoß des Mak­lers wie­der­zu­ge­ben. War­um die­ser mit einer wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung gleich­zu­set­zen sei, wur­de nicht erläu­tert, son­dern allen­falls bruch­stück­haft ange­deu­tet. Ver­mut­lich aus gutem Grund, denn grund­sätz­lich ist es eben nicht allein die objek­ti­ve Pflicht­ver­let­zung, die die Haf­tung des Mak­lers begrün­det. Sowohl 63 VVG als auch § 280 Abs. 1 BGB als zen­tra­le Haf­tungs­nor­men sehen vor, dass kei­ne Scha­dens­er­satz­pflicht besteht, wenn der Versicherungsvermittler/der Schuld­ner die Pflicht­ver­let­zung „nicht zu ver­tre­ten hat“. Zu ver­tre­ten hat der Mak­ler die Pflicht­ver­let­zung, wenn er die im Ver­kehr erfor­der­li­che Sorg­falt außer Acht lässt, also min­des­tens fahr­läs­sig han­delt. Dies konn­te man dem Mak­ler im obi­gen Haf­tungs­fall selbst­ver­ständ­lich nicht abspre­chen. Natür­lich war es fahr­läs­sig den Vor­ver­trag des Kun­den nicht einer genaue­ren Prü­fung unter­zo­gen oder die aus­ge­üb­ten Tätig­kei­ten dezi­diert erfragt zu haben und gleich­falls fahr­läs­sig war es, die Poli­ce nur mit dem Antrag zu ver­glei­chen. Feh­ler bei der Ange­bots­an­fra­ge bzw. der Ange­bots­er­stel­lung konn­ten so natür­lich nicht auf­fal­len. Aber genau für der­ar­ti­ge Ver­se­hen hat­te der Mak­ler schließ­lich eine Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung abge­schlos­sen und dass es sich um mehr als nur Ver­se­hen han­del­te, M also bewusst gegen Berufs­pflich­ten ver­sto­ßen haben könn­te, ließ sich der Scha­den­mel­dung nicht ent­neh­men. Auch der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer blieb an die­sem Punkt vage und ver­meng­te statt­des­sen Pflicht­ver­let­zung und Ver­schul­den. Ver­mut­lich woll­te man dar­auf hin­aus, dass nach der Recht­spre­chung bei Ver­stö­ßen gegen fun­da­men­ta­le Grund­re­geln der beruf­li­chen Tätig­keit auf wis­sent­li­ches Han­deln geschlos­sen wer­den kann, eine Situa­ti­on, in der es dann plötz­lich am Mak­ler ist die wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung zu wider­le­gen. Um zu die­sem Ergeb­nis zu gelan­gen, griff man dann auf das alt­be­kann­te Sach­wal­ter-Urteil zurück — ein bedenk­li­cher Zir­kel­schluss, denn wenn die beson­de­re Stel­lung des Mak­lers als treu­hän­de­ri­scher Sach­wal­ter dazu führt, dass jed­we­de Pflicht­ver­let­zung des Berufs­trä­gers fun­da­men­tal ist, bedürf­te es auch kei­ner Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung.

Letzt­lich konn­ten wir die Ableh­nung des Ver­si­che­rers, nach­dem uns M die­se zur Ver­fü­gung gestellt hat­te, mit den vor­be­schrie­be­nen Gegen­ar­gu­men­ten abwen­den und eine nor­ma­le Regu­lie­rung durch­set­zen.

C. Fazit

Die meis­ten Ver­si­che­rer gehen nach unse­ren Erfah­run­gen wirk­lich nur dann von einer wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung aus, wenn sich die oben beschwo­re­ne „Ver­let­zung fun­da­men­ta­ler Grund­re­geln“ gera­de­zu auf­drängt. In Ein­zel­fäl­len gewinnt man aber den­noch den Ein­druck, dass der Aus­schluss der wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung trotz­dem noch zu infla­tio­när gebraucht wird. Dies ver­trägt sich nicht mit dem Grund­satz, das Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen, die den Ver­si­che­rungs­schutz ein­schrän­ken, wegen ihres Cha­rak­ters als Aus­nah­me­vor­schrift, eng aus­zu­le­gen sind. Zudem wird damit auch ein maß­geb­li­ches Ziel des Geset­zes zur Neu­re­ge­lung des Ver­si­che­rungs­ver­mitt­ler­rechts vom 19.12.2006 — der Ver­brau­cher­schutz — unter­wan­dert.